Genauigkeit und Effizienz in der homöopathischen Therapeutik ist nur jenen möglich, die eine klar definierte Ahnung darüber haben, in welchem Bereich das Similimumprinzip wirksam ist.
Der Wirkungsbereich der Homöopathie ist ein Thema, welches zu wenig Beachtung erfährt, von Lehrern und Praktikern gleichermaßen. Verschwommene und konfuse Vorstellungen herrschen vor. Als Ergebnis finden wir auf der einen Seite ein paar wenige aufrichtige aber fehlgeleitete Enthusiasten, die das Unmögliche versuchen, und sich selbst dabei lächerlich machen, und auf der anderen Seite die große Mehrheit, die unwissend über die großen Möglichkeiten sind, und die Gelegenheit verpassen und Misskredit über sich selbst und ihre Kunst bringen, indem sie in Fällen zu unhomöopathischen Maßnahmen greifen, welche leicht von homöopathischen Mitteln geheilt werden können. Der eine glaubt an zu viel, der andere an zu wenig. Keiner von beiden weiß, warum er bei einem Fall Erfolg hat und bei einem anderen versagt.
Willkürliche Heilungen rechtfertigen keinen Stolz. Die Kunst der pharmakologischen Therapeutik im Allgemeinen, und der Homöopathie im Besonderen, wird durch solches Arbeiten nicht vorangetrieben. Was wir brauchen, ist sauberes, wissenschaftliches Arbeiten; Arbeiten, das rational erklärt und verifiziert werden kann; Resultate durch intelligente Anwendung eines eindeutigen Prinzips und einer perfekten Technik in einem scharf abgegrenzten Gebiet.
Das therapeutische Prinzip ist bekannt; die Technik der Verschreibung ist entwickelt worden; eine große Anzahl von Arzneimitteln ist hergestellt worden; aber der Wirkungsbereich wurde nicht klar definiert.
In dieser Beziehung sind wir wie eine Armee, die viel gute Munition in dem Versuch verschwendet, einen versteckten Feind zu suchen, von dessen Aufenthaltsort aber sie nicht weiß.
Ein philosophisches Flugzeug, welches in die höheren Luftschichten gesandt wird, könnte in der Lage sein, den Feind exakt zu orten und uns schulen, unsere Waffen direkt auf ihn auszurichten.
Die Homöopathie als therapeutische Methode befasst sich in erster Linie nur mit der krankhaft gestimmten Lebenskraft des lebenden Organismus, welcher ungeachtet der Ursachen wahrnehmbar durch die Symptome repräsentiert wird.
Wenn wir das Betätigungsfeld der Homöopathie definieren, ist es zuerst notwendig, zwischen Krankheit an sich, als krankhafter Lebensprozess, und den materiellen Folgen oder den Produkten zu unterscheiden, in denen der Krankheitsprozess schließlich gipfelt. Mit dem Danach hat die Homöopathie nichts zu tun. Sie befasst sich nur mit der Krankheit an sich, mit ihrem primären, funktionalen oder dynamischen Aspekt.
Krankheiten an sich, sagt Hahnemann, sind “nichts als Befindensveränderungen des Gesunden”, verursacht durch die dynamische Wirkung äußerer, feindseliger Kräfte auf das Lebensprinzip des lebendigen Organismus, und sie machen sich nur über die Sinne erkennbare Zeichen und Symptome erkennbar, deren Gesamtheit die Krankheit repräsentiert und sie für alle möglichen Zwecke begründet.
Es wird bei der homöopathischen Verschreibung deshalb notwendig, dass man sorgfältig die primären, funktionellen Symptome, die den krankhaften Prozess selbst repräsentieren, von den sekundären Symptomen trennt, die die pathologischen Endprodukte der Erkrankung repräsentieren.
Die groben merklichen krankhaften Veränderungen und Produkte, in welchen die Krankheit gipfelt, sind nicht das primäre Objekt der homöopathischen Verschreibung. Wir verschreiben nicht gegen den Tumor, der den Patienten befällt, noch werden wir von den sekundären Symptomen geleitet, die durch die rein physische Präsenz des Tumors entstehen: Wir verschreiben für den Patienten — indem wir jene Symptome auswählen, und uns von jenen führen lassen, die den krankhaften, vitalen Prozess repräsentieren, welcher voranging, und von dem die Entwicklung des Tumors begleitet wird und der in ihm endet.
Wenn Zweifel darüber bestehen, welche Symptome primäre und welche sekundäre sind, wird die Krankengeschichte entscheiden. In der Evolution der Krankheit im lebendigen Organismus gehen funktionale Symptome organischen oder strukturellen Veränderungen voraus. “Die Funktion erschafft das Organ” ist ein Maxim in der biologischen und morphologischen Wissenschaft, woraus folgt, dass die Funktion den Zustand des Organs offenbart.
Die Reihenfolge, in der die Symptome eines Falles erscheinen, ermöglichen es uns deshalb zu bestimmen, welche primär und welche sekundär sind, genauso wie sich sympathische Symptome auf ihren Ursprung zurückführen lassen und die Krankheit exakt lokalisieren.
Für den homöopathischen Praktiker ist die Gesamtheit der funktionalen Symptome des Patienten in dem Sinne die Erkrankung, als solche Symptome die einzig wahrnehmbare Form der Krankheit sind, und sie die einzige rationale Basis für eine heilende Behandlung sind. Symptome sind die von außen erkennbaren Zeichen oder Phänomene innerer krankhafter Veränderungen des Zustands eines vorher gesunden Organismus, und sie sind unsere einzige Möglichkeit zu wissen, was die Krankheit ist. Sie repräsentieren einen Wechsel von einem Zustand der Ordnung in einen Zustand der Unordnung. Wenn die Symptome entfernt werden, dann hört die Krankheit auf zu existieren.
Diese Phänomene resultieren aus der, und repräsentieren die, Wirkung auf den lebendigen Organismus durch eine Kraft oder einen Einfluss, der lebensfeindlich ist. Mit den krankheitserregenden Kräften selbst hat die Homöopathie in erster Linie nicht mehr zu tun, als sie mit den wahrnehmbaren Produkten oder der Enderscheinung der Erkrankung hat. Man kann sich sicher sein, dass der Arzt, der in anderer Eigenschaft als der eines Verschreibers homöopathischer Medizin, handelt, die Krankheitsursachen und die Hindernisse zur Heilung erst zu beseitigen in der Lage sein wird, wenn er sich anschickt, die Aufgabe auf sich zu nehmen, das Mittel auszusuchen, welches homöopathisch für die Symptome des Falles ist, wodurch die Heilung vollbracht wird.
Indem man sich auf das Individuum und die rein funktionelle Seite einer Erkrankung konzentriert, auf die Erkrankung als solche, kann der Bereich der Homöopathie deutlich wahrgenommen werden.
Aus dieser Sichtweise heraus sind die signifikantesten und allgemeinen Merkmale, die über die Phänomene oder Erkrankung beobachtet werden müssen, die Fakten über Bewegung, Wirkung und Veränderung; Zustandsveränderung, Formen und Lage; Veränderung, welche aus der Anwendung krank machender Kräfte im lebenden Organismus resultieren; Veränderungen des Zustandes der Gesundheit in den Zustand der Krankheit (und das Gegenteil); Veränderungen der Symptome und ihrer Eingruppierung; der Wechsel von der Ordnung zur Störung; Wechsel der Form der Krankheitsstrukturen, Veränderungen in Funktion; Wechsel molekularer Verbindungen und Anordnung; jede Bewegung, Veränderung und Umwandlung so lange das Leben währt, die herausragendsten und allgemeinen Merkmale, die von den Phänomenen oder der Krankheit beobachtet werden müssen. In einem Wort, wir finden uns im Reich reiner Dynamik wieder. Dies ist der wahre und der einzige Bereich der Homöopathie, der Bereich der vitalen Dynamik. Tatsächlich, die Homöopathie könnte ebenso gut als Wissenschaft der vitalen Dynamik definiert werden. Ihr Feld ist das Feld gestörter vitaler Phänomene und funktioneller Veränderungen in dem individuellen Patienten, ungeachtet des Krankheitsnamens oder ihrer Ursache. Ihr Gegenstand ist die Wiederherstellung der Ordnung und Harmonie im vitalen Funktionieren im individuellen Patienten. Ihre Gesetze sind Gesetze der Bewegung, die im vitalen Reich arbeiten, die alle vitalen Vorgänge beherrschen. Ihr fundamentales Prinzip ist das universelle Prinzip der wechselseitigen Wirkung. “Actio und Reactio sind gleich und entgegengesetzt.”
“Der vorurtheilslose Beobachter – die Nichtigkeit übersinnlicher Ergrübelung erkennend, die sich in der Erfahrung nicht nachweisen lassen, – nimmt, auch wenn er der scharfsinnigste ist, an jeder einzelnen Krankheit nichts, als äußerlich durch Sinne erkennbare Veränderungen im Befinden des Leibes und der Seele, Krankheitszeichen, Zufälle, Symptome wahr, das ist, Abweichungen vom gesunden, ehemaligen Zustande des jetzt Kranken, die dieser selbst fühlt, die die Umstehenden an ihm wahrnehmen, und die der Arzt an ihm beobachtet. Alle diese wahrnehmbaren, Zeichen repräsentiren die Krankheit in ihrem ganzen Umfange, das ist, sie bilden zusammen die wahre und einzig denkbare Gestalt der Krankheit.” (Organon, § 6)
Die merklichen Dinge, die der untersuchende Arzt in dem Körper findet, sind nicht die Krankheit, sondern nur ihre Auswirkungen. Es ist unmöglich, und deshalb zum Scheitern verurteilt, wenn man versucht, eine Krankheit im verborgenen Inneren des Organismus zu finden, so wie es wäre, versuchte man einen Gedanken durch die Erforschung des Inneren des Gehirns, die Elektrizität im Inneren eines Dynamos, oder den Gesang im Hals eines Vogels zu suchen. Diese Dinge sind nur durch ihre Phänomene bekannt. Metaphysisch betrachtet, könnte man sagen, dass sie im dynamischen Reich als substanzielle Entitäten oder Kräfte existierten, aber als solche sind sie nur durch die “innere Fantasie” wahrnehmbar, durch die Augen des Geistes. Sie sind “geistig wahrnehmbar”. Die metaphysische Vorstellung dient als Hilfe in der Interpretation der Phänomene.
Praktischerweise, wie auch immer, haben wir es nicht mit Abstraktionen zu tun. Wir haben es mit Fakten und Phänomenen zu tun, mit Symptomen.
“… – so muß die Gesammtheit dieser ihrer Symptome, dieses nach außen reflectirende Bild des innern Wesens der Krankheit, d. i. des Leidens der Lebenskraft, das Hauptsächlichste oder Einzige seyn, wodurch die Krankheit zu erkennen geben kann, welches Heilmittel sie bedürfe -, …” (Organon, § 7)
Die Entfernung aller wahrnehmbaren Symptome oder Phänomene der Krankheit entfernt die Krankheit selbst und stellt die Gesundheit wieder her. Hahnemann unterscheidet so philosophisch zwischen der Krankheit selbst und ihrer Ursachen, Anlässe, Umstände, Folgen und Phänomene, und dadurch zeigt er deutlich, dass der Bereich der Homöopathie in erster Linie auf funktionale Veränderungen, aus welchen sich die Phänomene der Krankheit entwickeln, beschränkt ist. In anderen Worten, die Homöopathie ist auf den Bereich der vitalen Dynamik begrenzt, und nur hier wirksam.
In erster Linie hat die Homöopathie nichts mit irgendeiner greifbaren oder physikalischen Ursache, Wirkung oder Folge einer Krankheit zu tun, obwohl sie in zweiter Linie zu all diesem in Beziehung steht. Auswirkungen durch die Erkrankung durch krankhafte Funktionen und Empfindungen können bestehen bleiben, nachdem die Ursache beseitigt wurde. Die Beseitigung der merklichen Krankheitsfolgen, sofern sie zu weit fortgeschritten sind, müssen der Chirurgie überlassen werden. Die Homöopathie hat direkt nur mit der Krankheit selbst zu tun, dem krankhaften vitalen Prozess, der durch wahrnehmbare Symptome offenkundig ist, die bleibend und fortbestehend sein können, nachdem die Ursachen beseitigt wurden und der Zustand sich änderte.
Es ist nur vernünftig, wie Hahnemann sagt, dass jeder intelligente Arzt, der Kenntnisse der rationalen Ätiologie besitzt, zuerst, durch angemessene Maßnahmen, jede bestehende und unterstützende Krankheitsursache und Heilungshindernisse beseitigt und sich bemüht, eine richtige und geordnete Lebensweise für seinen Patienten zu schaffen, mit gebührender Beachtung geistiger und körperlicher Hygiene. Wenn dies nicht befolgt wird, können homöopathische Mittel nur wenig Wirkung erzeugen und was an geringer Wirkung entsteht, wird nur von kurzer Dauer sein.
Nachdem dies bewerkstelligt ist, wendet er sich dem Problem der Findung jenes Mittels, dessen Symptome in ihrer Natur, ihrem Ursprung und ihrer Folge der Entwicklung von Symptomen, den Patientensymptomen am ähnlichsten ist, zu, und dann der richtigen Behandlung in Bezug auf Größe und Häufigkeit der Gaben, falls es gefunden wurde.
Während grobe pathologische Gewebeveränderungen, Organschäden, morphologische Missverhältnisse, Neoplasmen und die physischen Auswirkungen mechanischer Ursachen, nicht in erster Linie innerhalb der Domäne eines Similimums liegen, und daher auch nicht Gegenstand homöopathischer Behandlung sind, so sind doch krankhafte Vorgänge, aus denen sie hervorgehen oder zu welchen sie hinführen, homöopathischer Medikation zugänglich. Homöopathische Mittel üben aufgrund ihrer Kräfte in der Kontrolle vitaler Funktionen, und durch Stärkung der Widerstandskräfte, häufig einen günstigen Einfluss, sowohl auf die physische Entwicklung, als auch auf die spürbaren Folgen einer Krankheit oder eines Unfalles aus. So kann Tumorwachstum verzögert oder gestoppt; die Absorption und Wiederherstellung unterstützt werden, bis hin zur Beseitigung krankhafter Produkte oder Geschwülste; Sekretionen und Ausscheidungen können angeregt oder verringert werden; Hautausschläge, Entzündungen und Geschwüre geheilt werden. Aber alle diese spürbaren Ergebnisse sind nur zufällig und sekundär zur wirklichen Heilung, welche ausschließlich im funktionalen und dynamischen Bereich stattfindet, und durch den dynamischen Einfluss des symptomatisch ähnlichen Mittels Störungen bezwingt, den Metabolismus kontrolliert, Gifte antidotiert, Widerstand erhöht und heilt.
Wenn wir der Ausschlussmethode nach Dake in seinen “Therapeutischen Methoden” folgen, und wenn wir eine Veränderung seiner Redewendungen verwenden, dann kann der Bereich der Similia wie folgt definiert werden:
1. Die Homöopathie bezieht sich in erster Linie nicht auf Affektionen der Gesundheit, wenn weiter Ursachen für die Krankheit dauernd fortbestehen und wirksam sind.
2. Sie bezieht sich in erster Linie nicht auf Affektionen der Gesundheit, welche von selbst verschwinden, sobald die bestehende Ursache durch physische, klinische oder chirurgische Maßnahmen beseitigt ist.
3. Sie bezieht sich in erster Linie nicht auf Affektionen der Gesundheit aufgrund von Verletzungen oder Gewebezerstörungen, welche der Wiederherstellung unfähig sind.
4. Sie bezieht sich in erster Linie nicht auf Affektionen der Gesundheit, wenn die vitale reaktive Kraft des Organismus entkräftet, gehemmt oder gehindert ist.
5. Sie bezieht sich nicht auf Affektionen der Gesundheit, deren symptomatische Ähnlichkeit in einem gesunden Organismus durch medizinische Art und Weise nicht wahrnehmbar verursacht werden kann, auf solche Symptome, die nicht wahrnehmbar sind.
Die Klasse, die nicht ausgeschlossen ist, die eine, in welcher die Homöopathie universell ist und vor allen anderen Methoden Vorrang hat, muss aus Affektionen des lebendigen Organismus bestehen, die aus wahrnehmbaren Symptomen bestehen, ähnlich denen, die bei Organismen durch pathogene Auslöser verursachbar sind, die die Unversehrtheit der Gewebe und die die reaktive Kraft, die zur Genesung nötig ist besitzen, sobald die bestehenden Ursachen der Krankheit und Heilungshindernisse entfernt worden sind, oder wenn sie nicht mehr wirksam sind.
Der Bereich der Similia in der Medizin ist so auf jene krankhaften funktionalen Zustände und Prozesse beschränkt, der in erster Linie aus der dynamischen Wirkung krank machender, lebensfeindlicher Erreger auf den lebenden Organismus resultiert.
Auf den lebenden Organismus kann in erster Linie auf drei Arten eingewirkt oder dieser affektiert werden: (1) Mechanisch (2) Chemisch (3) Dynamisch. Die Krankheitsursachen fallen natürlicherweise unter diese drei Rubriken.
Unter die Rubrik der mechanischen Ursachen für Krankheiten fallen alle traumatischen Einwirkungen, wie Läsionen, Verletzungen und Gewebezerstörung aufgrund physikalischer Kräfte; krankhafte Geschwülste, Formationen und Fremdsubstanzen; erblich geschädigte oder fehlende Organe oder Körperteile, prolabierte oder dislozierte Organe usw. Diese Zustände gehören zur Chirurgie, zu physikalischen Therapierichtungen und zur Hygiene.
Die zerstörende Wirkung bestimmter chemischer Gifte, wie von Säuren und Alkalien, ist eine ausreichende Darstellung von chemischen Ursachen von Krankheiten, obwohl alle diese Mittel auch sekundäre dynamische Wirkungen aufweisen, die in den Bereich der Homöopathie hineinreichen. Krankheiten, die sich aus diesen Ursachen entwickeln, benötigen den Gebrauch chemischer oder physiologischer Antidote, in manchen Fällen in Verbindung mit Maßnahmen zur Expulsion der krank machenden Substanzen, gefolgt von homöopathischer Behandlung der funktionellen Störungen, welche weiterbestehen oder folgen können.
Entozoen oder lebende Tierparasiten, sofern ihre Anwesenheit im Körper zur Entstehung von Krankheiten beiträgt, müssen durch mechanische Maßnahmen oder durch die Verabreichung von Medikamenten, die sie schwächen oder zerstören, ausgetrieben werden, ohne dass dabei die Person, die durch ihre Anwesenheit leidet, in Gefahr gebracht wird. Eine dynamische Behandlung nach den homöopathischen Prinzipien kann nötig sein, um die funktionalen Störungen zu beseitigen und die Gesundheit des Patienten wiederherzustellen.
Die Wirkungen dynamischer Ursachen von Krankheiten, worunter all jene unbestimmten und medizinischen oder toxischen Agentien und Einflüsse zu verstehen sind, die in erster Linie die vitalen Funktionen des Gemütes und des Körpers stören, fallen zu Recht in den Bereich der Similia. Diese sind sehr zahlreich, aber sie können grob als (1) geistig oder psychisch, atmosphärisch, thermisch, elektrisch, tellurisch und klimatisch, (2) diätetisch, hygienisch, ansteckend, infektiös und spezifisch klassifiziert werden — die letzten drei einschließlich aller Störungen, die durch den Missbrauch von Drogen und von allen bakteriellen Agentien oder pathogenen Mikroorganismen hervorgerufen werden, die ihre Wirkungen über ihre spezifischen Toxine erzielen oder durch Alkaloide. Die Homöopathie behandelt über innerlich angewendete Homöopathika erfolgreich bakterielle- oder Infektionskrankheiten wie Cholera, Gelbfieber, Typhus, Malaria, Diphtherie, Tuberkulose und Lungenentzündung, ohne Bakterizide, keimtötende Mittel oder Antiseptika. Solche Agentien finden nur im Bereich der Hygiene Anwendung, was die Umwelt, aber nicht die Person betrifft. Wir desinfizieren die Ausscheidungen des Typhuskranken, nicht aber den Patienten selbst.
Um noch einmal Dukes bewundernswerte Darstellung zu zitieren, nur um seinen dritten Vorschlag zu bewerten und um einen fünften Paragrafen hinzuzufügen:
1) Die homöopathischen Gesetze beziehen sich nicht auf Agentien, die dazu gedacht sind, auf chemische Weise den Organismus zu beeinflussen.
2) Sie beziehen sich keineswegs einfach auf mechanische Auswirkungen.
3) Sie beziehen sich keineswegs auf die Entwicklung und die Unterstützung des Organismus, wenn er gesund ist.
4) Sie beziehen sich keineswegs auf eine direkte Anwendung zur Entfernung von Parasiten, die den menschlichen Körper aufsuchen oder ausnutzen.
Wenn man die apparative und medikamentöse Ausrüstung der Therapeuten auf ihre wirksame Mittel hin überschaut, die nicht ausgeschlossen sind, dann findet sich eine Klasse, nämlich die der wirksamen Stoffe, die sich auf die Gesundheit des Körpers auf diese Weise auswirkt, die nicht von Mechanik, Chemie oder Hygiene bestimmt wird, sondern die in der Lage ist, Krankheiten, ähnlich denen, wie sie im Kranken gefunden werden können, zu produzieren.
Gemäß Dakes dritter Aussage kann und wird gezeigt werden, dass, gerade so, wie die Entwicklung und Unterstützung des gesunden Organismus von dem Prinzip der Assimilation abhängt, wie durch Fincke nachgewiesen, das Prinzip der Similia sich auf diese Vorgänge bezieht; denn die Assimilation hängt von Wechselwirkungen ab, von Actio und Reactio, und das ist das fundamentale Prinzip der Homöopathie. Zu den vorangegangenen Aussagen, wie sie von Dake formuliert wurden, sollte eine weitere hinzugefügt werden.
5) Die homöopathischen Gesetze beziehen sich in erster Linie nicht auf wirksame Mittel oder Medikamente, die wegen ihrer direkten so genannten physiologischen Wirkungen verabreicht werden.
Umstände können gelegentlich entstehen, die es für den homöopathischen Verschreiber notwendig werden lassen, dass er Medikamente in ‘physiologischen’ (wirklichen, pathogenen) Gaben wegen ihrer palliativen Wirkungen verwendet. Obwohl das vorherrschende Prinzip seines Lebens als Mediziner die Heilung durch Symptomenähnlichkeit ist, und dieses Ziel immer als Ideal im Blickfeld bleibt, ist es ihm dadurch nicht verboten, palliative Maßnahmen in Fällen zu ergreifen, wenn sie angemessen und notwendig sind.
Hahnemann hat, nachdem er die Zwecklosigkeit der antipathischen Verschreibung als Heilmethode aufgezeigt und auf die gelegentlichen Gefahren ihrer Verwendung hingewiesen hat, die Verwendung und Notwendigkeit der Wiederherstellung durch Linderung in bestimmten Notfällen zugegeben. In einer Fußnote zu § 67 sagt er:
“Bloß in höchst dringenden Fällen, wo Lebensgefahr und Nähe des Todes, einem homöopathischen Hülfsmittel zum Wirken keine Zeit, nicht Stunden, oft nicht einmal Viertelstunden und kaum Minuten verstattet, in plötzlich entstandnen Zufällen, bei vorher gesunden Menschen, z.B. bei Asphyxien, dem Scheintode vom Blitze, vom Ersticken, Erfrieren, Ertrinken u.s.w., ist es erlaubt und zweckmäßig; durch ein Palliativ, z.B. durch gelinde electrische Erschütterungen, durch Klystiere von starkem Kaffee, durch ein excitirendes Riechmittel, allmälige Erwärmungen u.s.w., vorerst wenigstens die Reizbarkeit und Empfindung (das physische Leben) wieder anzuregen; ist’s dann einmal wieder aufgeregt, so geht das Spiel der Lebensorgane seinen vorigen gesunden Gang fort, weil hier keine Krankheit, sondern bloß Hemmung und Unterdrückung der an sich gesunden Lebenskraft zu beseitigen war. Hier gehören auch verschiedne Antidote jählinger Vergiftungen: Alkalien gegen verschluckte Mineralsäuren, Schwefelleber gegen Metallgifte, Kaffee und Campher (und Ipecacuanha) gegen Opium-Vergiftungen, usw.”
Das Prinzip der Palliation wird hier anerkannt und ein paar wenige Erläuterungen legitimer Anwendungen in einer Klasse von Fällen gegeben. Es wird angemerkt, dass all diese erläuterten Fälle als Schock oder Kollaps kategorisiert sind, man sieht, dass das Prinzip eine etwas weiter gefasste Anwendung findet, als es auf den ersten Blick auf die aufgezählten Fälle Hahnemanns scheint. Es kann ziemlich ausgeweitet werden, zum Beispiel um bestimmte Fälle abzudecken, in denen plötzliche und unerträgliche Schmerzen auftreten, und ein Kollaps durch jene halb-mechanischen Zustände, wie dem Vorliegen von Nierensteinen und -grins, oder durch biliäre Konkremente droht. In Ausnahmefällen solcher oder ähnlicher Zustände können vorübergehend Schmerzmittel eingesetzt werden, so wie Anästhetika bei chirurgischen oder dentalen Operationen, aus dem gleichen Grund, um einen Schock zu vermeiden oder zu lindern.
Wenn alles gesagt wurde, und das Betätigungsfeld der Homöopathie so deutlich wie möglich definiert ist, ist es augenscheinlich, dass es einen Grenzbereich zwischen der Homöopathie und ihrer verwandten Wissenschaften gibt, wobei es unmöglich ist, klare Trennlinien zu ziehen. In diesem Bereich muss jeder Arzt durch sein eigenes individuelles Urteilsvermögen und die Umstände des Falles geleitet werden. Daraus folgt, dass es immer Meinungsunterschiede zwischen individuellen Ärzten unter solchen Umständen gibt. Der Arzt, der von dem Geist der Homöopathie durchdrungen ist, bemüht sich immer, seinen Geist offen und frei von Vorurteilen zu halten. Während er sich bemüht, seine homöopathischen Kenntnisse zu vervollkommnen, damit sie jeder Notfallsituation begegnen können, und um die Grenzen seiner Kunst bis zu den weitesten Grenzen auszudehnen, so vergisst er doch nie, dass die Notwendigkeiten und das Wohlergehen seines Patienten immer zuerst kommen. Er wird es nie zulassen, dass entweder Stolz oder Vorurteile seine Sinne für seine eigenen Grenzen und die seiner Kunst vernebeln. Umstände können sich manchmal entwickeln, unter denen der stärkste Mensch und der fähigste Verschreiber aufgrund der immensen Belastung auf Leben oder Tod, die ihm durch die Besonderheiten seines Patienten, durch die Umgebung, oder aus Zeitnot auferlegt wurde, gezwungen sein wird, sich unter Verwendung von Analgetika oder einer anderen Maßnahme bei unerträglichen Schmerzen über die Runden zu helfen, um außerordentlichen Notfällen zu begegnen. Er tut dies als ein wohltätiges Zugeständnis gegenüber der Schwäche der menschlichen Natur, vielleicht seiner eigenen oder der von anderen, ohne seinen Standard auch nur im geringsten zu schwächen oder ihn oder seine Kunst in Diskredit zu bringen. Er tut dies, obwohl er weiß, dass, wenn es die Zeit und die Umstände erlauben würden, er es besser machen könnte. Aber die Zeit und die Umstände sind manchmal, zumindest vorübergehend, außerhalb seiner Kontrolle. Es ist möglich, gegen die richtige Einstellung zu verstoßen, indem man zu eng am Gesetzestext klebt. Der Sieg wird manchmal errungen, indem man vorgibt, sich zu ergeben, was durchaus im Einklang mit dem Gesetz der Similia ist, eine Art moralischer Homöopathie. Ein strategischer Rückzug zu einer anderen Verteidigungslinie schafft im Krieg häufig eine bessere Grundlage, von der aus ein erfolgreicher Angriff gestartet werden kann.
Im Falle einer Nierenkolik oder einer Kolik durch Gallensteine zum Beispiel; wenn der Arzt entschlossen und ruhig, und auch fachkundig ist, und wenn er das ganze Vertrauen des Patienten und seiner Familie und Freunde besitzt, dann wird er in der Lage sein, die furchtbaren Schmerzen abzuschwächen und solche Fälle alleine unter Verwendung homöopathischer Mittel bis zum glücklichen Ende durchzustehen. Es wurde oft vollbracht und, wenn er möglich ist, dann ist er der ideale Weg.
Aber der Arzt wird vielleicht erstmalig zu einem Fall oder einer Familie gerufen, ohne dass er Zeit hatte, ihr ganzes Vertrauen durch die Resultate seiner Arbeit oder seiner Lehren zu gewinnen. Die Patienten müssen innerhalb von Diskussionen, Anweisungen und durch Anschauungsunterricht in den Prinzipien und Methoden der Homöopathie geschult werden, und dies erfordert Zeit. Wenn diese die Resultate gefühlt haben oder sie zum Zeugen einer kompetenten homöopathischen Verschreibung wurden, dann gewinnen sie Vertrauen. Manche werden zum Fürsprecher oder enthusiastischen Propagandisten der Homöopathie und sind immer bereit, ihren Arzt zu unterstützen und zu kooperieren, wenn er homöopathische Methoden sogar in den ernstesten Fällen unter Beweis stellt. Andere sind nur an schnellen Erfolgen interessiert, ohne dass sie sich viel darum scheren, wie sie erzielt werden. Diese sind sehr schwer in solchen Fällen zu halten, und manche von ihnen werden nicht zu dem gewissenhaften Homöopathen halten, egal, was er tut. Zwischen diesen beiden Klassen existiert eine dritte, deren Angehörige für die Homöopathie in dem Maße interessiert werden können, die den Praktiker in die Lage versetzt, sie als Patienten zu halten und ihr Vertrauen und ihre Kooperation für die homöopathische Therapie zu gewinnen, außer in extremen Fällen. Es ist in solchen Fällen, in denen der Druck ihm aufgelastet wird, und wenn er sich gedrungen fühlt, die Palliation einzusetzen, um Zeit zu gewinnen und seine Position zu stärken. Wenn er dies hier nicht tun kann, dann verbleibt ihm nur ein ehrenhafter Weg, den er einschlagen kann — den Fall abzutreten und sich zurückzuziehen. Indem er einen der beiden Wege verfolgt, wird der gewissenhafte Praktiker jenseits von Kritik unvoreingenommener Personen sein. Aber er ist gegenüber Attacken durch Vorurteile, Borniertheit und Eifersucht immer anfällig und ihnen häufig ausgesetzt, und die beste Verteidigung darauf ist Schweigen und ein gutes Gewissen.